Home

Archiv Konzerte Archiv Chorreisen Verschiedenes

Kritik von i.r. zum Konzert am 15.7.1972
Trommeleffekte beim Konzert
Nagolder sangen gelöst und ausdrucksvoll in der Pforzheimer Kirche

Die Musikfreunde und Interessenten, die am Samstagabend zum geistlichen Konzert in die Schloßkirche gekommen waren, wurden in angenehmster Weise überrascht. Der auf Einladung von Organist Hans-Albert Zutavern singende Chor der Stadtkirche zeigte chorische Maßstäbe auf, die respektiert werden müssen. Initiator und Seele des Chores ist sein künstlerischer Leiter Gerhard Kaufmann, den man auch als ausgezeichneten Organisten und beachtenswerten Komponisten kennenlernte. Dieser junge Kirchenmusiker hat die Zukunft vor sich und künstlerisch etwas auszusagen. Man nimmt ihm seine Interpretation ab, weil im Gegensatz zu manchem jungen Zeitgenossen das geistliche Engagement spürbar ist. Programm und seine Gestaltung hatten am Samstag nicht nur werkbedingt einen eindrucksvollen meditativen Charakter.
Das wurde schon im eingangs gespielten Präludium und Fuge über B-A-C-H von Franz Liszt offenbar. Zur satztechnischen Beherrschung kam die unverkennbare persönliche Aussage, die einen gewissen romantischen Überschwang des Werkes dämpfte und vor allem in einer fein empfundenen Registrierung Niederschlag fand. Kaufmanns Musizierstil schienen auch die Orgelmeditationen 1 und 3 von Olivier Messiaens "L' Ascension" in besonderem Maße entgegenzukommen. Bewußt betonte er den Toccatencharacter der Himmelfahrtsschilderung und überzeugte allgemein mit einem eindrucksvollen Spiel, das er in der großangelegten Improvisation über die während der Arbeit in der Schloßkirche gewonnenen Raumeindrücke noch zu vertiefen verstand. Zwangsläufig schauten sich die Hörer um und gaben sich einem Raumerleben hin, das auch durch akustische Einflüsse von draußen mit bestimmt wurde. Der stilistische Bogen von Kaufmanns Spiel reichte von Bach bis in die moderne französische Orgelsprache, und hierin lag auch eine historische Rückblende und eine Charakterisierung und Symbolisierung des ehrwürdigen Bauwerks selbst.
In der Chorführung scheint Kaufmann einen entsprechenden Weg zu gehen. Ihm stehen an die 40 Sängerinnen und Sänger zur Verfügung, die ein beachtenswertes Stimmenmaterial mit einer natürlichen Musikalität präsentieren, und die auf ihren Dirigenten eingeschworen sind. Die Nagolder singen gelöst, ausdrucksvoll und verraten eine vorzügliche chorische Schulung. Die zu Gehör gebrachten Sätze waren sowieso keine Alltagskost, verlangten respektables Können und vollen Einsatz. Man horchte schon überrascht auf bei den ersten Takten der fünfstimmigen Reger-Motette "O Tod, wie bitter bist du", einem geschmeidigen und fein nuancierten Chorklang. Kaufmanns Zeichensprache ist zurückhaltend und dennoch klar bestimmend und fordernd. Bemerkenswert seine eigene Komposition "Ostersequenz", eine achtstimmige Meditation, die in einer interessanten Weise alte Kirchengesänge beinhaltet und mit modernen Mitteln ausgestaltet, dabei auch Trommeleffekte einbeziehend. So gelingt Kaufmann eine packende Vergegenwärtigung der Erlöserworte am Kreuze, ein meditatives Darstellen, das für Hörer zum Miterleben wird. Zugleich stellte diese Komposition die Leistungsfähigkeit des Chores ein besonderes Zeugnis aus, der sich abschließend noch mit einer eindrucksvollen Wiedergabe der fünfstimmigen Brahms-Motette "Schaffe in mir, Gott" für ein "Wiederhören" empfahl.

Home

Archiv Konzerte Archiv Chorreisen Verschiedenes